Begegnung mit der Natur
in Architektur, Kunst und Design
Claudia und Thomas Weil
“Ornament ist Verbrechen”, lautet das berühmte Verdikt von Adolf Loos. Dieses “Verbot” führte lange zu einer Verteufelung des Ornaments als reines Dekor. Damit ist der Blick verstellt zu der Erkentniss, dass sich das seit hundert Jahren von Architekten, Künstlern und Designern praktizirte neue Ornament nun als Ordnungsschema und Raster präsentiert und nicht mehr als Schmuck. Punktraster von Roy Lichtenstein, Bandrastervon Daniel Buren und die ewige Wiederholung von Quadratrastern auf modernen Fassaden sind Highlights dieses durchgängigen Bekenntnisses zum neuen Ornament. Ist diese Erkenntniss einmal durchgedrungen, wirkt sie wie eine Befreiung.
Viele gestalterische Fragen klären sich plötzlich, der Blick geht in die offene, verspielte und doch geordnete Welt des Ornaments,das alle Gestaltungsbereiche durchdringt.
Geschichte und Inhalt des Ornaments
Die Geschichte des Ornaments ist hoch spannend. Keine Kunstform ist so verteufelt und so geliebt worden, schwankt so zwischen erhaben und banal, zwischen überladen und minimal, zwischen Kosmos und Kitsch, zwischen elitär und populär. Die Mischung ist deshalb so bunt , weil hier Menschen aller Begabungen, aus allen Kulturen und Kontinente mitgewirkt haben.
Das Ornament existiert, seit die Menschen ihre Vorstellungswelt gestalten. Angefangen hat alles mit geometrischen Zeichen, die auf Wände und Gegenstände gemalt oder geritzt wurden, und mit Schmuckketten und Steinsetzungen, die eine Ordnung erkennen lassen. Diese Ornamente waren in den Wandbildern gleichzeitig mit den Abbildungen von Natur zu sehen.
Die Menschen gestalteten hier zwei Vorstellungswelten parallel: die Welt als Abbild und die Welt als Ordnung- oder einfacher: die Hirschkuh und das Quadrat.Offensichtlich erfüllen das Ornament und das Abbild zweierlei formal getrennte, aber innerlich zusammengehörige Grundbedürfnisse, wobei das Ornament bis heute das Bedürfnis nach Geometrie, Ordnung, Abstraktion, Magie und Schmuck erfüllt.
In einem Siegeszug ohne-gleichen erobert das Ornament alle Länder, alle Kuluren, alle soziale Schichten, alle Epoche und alle nur denkbare Materialien. Jedes Land, jede Kultur und jede Epoche haben eine eigene Ornamentgeschichte.