Dritte Dimensión im Bürgermeisterhaus

 

Maler Osvaldo Bacman und seine ,,Irritations-Geometrie”

 

Einmal mehr zog eine seh- und hörenswerte Kunstaktion am letzten Wochenende wieder zahlreiche Besucher ins Bürgermeisterhaus. Längst ist diese Villa und ihre besondere Atmosphäre ais Kleinod für kulturelle Veranstaltungen bei vielen Bürgern ins Bewusstsein gerückt.

Eingeladen wurde dieses Mal zu einer Ausstellung des argentinischen Malers Osvaldo Bacman, dessen verschobene Quadrate und labyrinthartigen Schwarz-weiss-Gebilde gewohnte Betrachtungsweisen relativieren. Zum Rahmen dieser Vernisage gehörte es aber auch, dass dio Cousine des Künstlers — Susanne Mendelievich — ein sehr stimmungsvolles Klavierstück ihres Landsmannes Astor Piazzolla spielte.

Wer sich mil dem bildnerischen Werk Osvaldo Bacmans auseinandersetzt, wird zu allererst geometrische Grundformen wie Quadrat und Rechteck erkennen. In einem zweiten Schritt werden aus diesen mitunter übereinanderliegenden Fláchen optisch wahrnehmbare Raumerlebnisse. So erhält plotzlich die auf dem ersten Blick flache Quadratpyramide durch ihre hell-dunklen Stufungen eine Tiefe, die das Sehen wie in eine Röhre hinein auf einen weit entferntliegenden imaginaren Punkt führt. Fasziniert glaubt man es mit dreidimensionalen Quadern zu tun zu haben, bis plotzlich — an einem Punkt angelangt — alies wieder zurückfällt und flächig erscheint wie zuvor.

Doch Bacman kommt es dabei nicht so sehr auf die rein visuelle Irritation an. ,,Für mich selbst eröffnen sie Wege der Meditation”, bekennt der Künstler. ,,lch will Kontraste schaffen, schwarz-weiss, positiv-negativ und deutlich machen, dass sie erst in ihrem Zusammenspiel ein harmonisches Ganzes ergeben. Wie im wirklichen Leben auch kann man seine Linien sowohl ais Hindernisse oder als notwendige Eingrenzungen verstehen.”

Wer sich in einem dritten Schritt solcherart auf die Bilder einlässt, wird Erstaunliches entdecken. In der Betrachtungs-Meditation durchläuft man einen Prozess, der einen immer wieder an den Anfang zurückbringt. Jedoch ist man für einen kurzen Augenblick vom klar umrissenen Hier und jetzt in eine vielgestältige Unendlichkeit getaucht. Das Verblüffende an dieser Erfahrung ist, dass aus einem an sich starren geometrischen Bild dynamische Figuren hervorgetreten sind.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass Osvaldo Bacman sagt: ,,Hinter meinen Bildern und Reliefs steht nicht so sehr eine Kunst als vielmehr eine Lebensphilosophie”. Wohl dem, der es versteht, sie jenseits der blossen Formen für sich zu entdecken.

Einen atmosphärisch schonen Rahmen dafür bietet das Bürgermeisterhaus. Es ist nicht zu übersehen, dad Kunst in dieser Villa wie ein Element wirkt, das einfach dazugehört. In den

hohen weissgetünchten Ráumen kommt auch Musik sehr stimmungsvoll zur Wirkung. Und so passte das moderne Klavierstück, das Susanne Mendelievich für den Abend ausgewählt hatte, hervorragend gut zu den ausgestellten Bildern. Musik geht im­mer unmittelbar ein, während Bilder einer Vermittlung bedürfen. In diesem besonderen Fall stimmte die Komposition des Argentiniers Astor Piazzolla die Zuhörer auf die diffizile Maltechnik von Osvaldo Bacman ein,

was allen Anwesenden sehr gut gefiel.

 

A.Bangert

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